24.12.2025

Mut zum Fest!

Was war das für ein Fest? – so überschreibt die Schriftstellerin Marie-Luise Kaschnitz (1901-1974) eine ihrer Geschichten, die ich hier nur gekürzt wiedergeben kann: Ein kleiner Junge fand in einer Schachtel unter allerlei Kram einen silbernen Stern. „Was ist das, Mutter?“ „Es ist ein Weihnachtsstern!“ „Ein was?“, fragte das Kind. „Etwas von früher, von einem Fest.“ „Was war das für ein Fest?“, wollte der kleine Junge wissen. „Ein langweiliges!“, sagte die Mutter schnell. „Die ganze Familie stand um einen Baum herum und sang Lieder, oder die Lieder kamen aus dem Fernsehen.“ „Wieso um einen Baum?“, fragte der Junge, „der wächst doch nicht in einem Zimmer?!“ „Es war eine Tanne, die man mit brennenden Lichtern und bunten Kugeln behängte. Und an der Spitze des Baumes befestigte man den Stern. Er sollte an den Stern erinnern, dem die Hirten und andere Leute nachgegangen sind, bis sie den kleinen Jesus in der Krippe fanden!“ „Wer soll denn das nun wieder sein?“, fragte das Kind aufgebracht. „Das erzähle ich dir ein andermal.“ „Das muss ein sehr schönes Fest gewesen sein“, sagte der Junge nach einer Weile und dachte an den Baum mit den brennenden Lichtern. „Nein“, sagte die Mutter, „es war langweilig, alle hatten Angst davor und waren froh, wenn es vorüber war.“ Und damit öffnete sie den Deckel des Mülleimers und gab ihrem Sohn den Stern in die Hand. „Sieh einmal“, sagte sie, „wie alt der schon ist, wie unansehnlich und vergilbt! Du darfst ihn hinunterwerfen und aufpassen, wie lange du ihn noch siehst.“ Und das Kind warf den Stern in die Röhre und lachte, als er verschwand. Die Mutter ging zur Tür, weil es geklingelt hatte, und als sie wiederkam, stand das Kind immer noch über den Mülleimer gebeugt. „Ich sehe ihn immer noch“, flüsterte es, „er glitzert, er ist immer noch da!“

Es mag Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, mit Blick auf die Geschichte von Marie Luise Kaschnitz vielleicht wie mir gehen: Ich möchte nicht, dass wir den Kindern keine Antwort mehr geben können auf die Frage, was den tieferen Grund des Weihnachtsfestes ausmacht, denn es lebt eine natürliche Sehnsucht in uns Menschen – eben auch schon in unseren Kindern! Ich möchte nicht, dass wertvolle Bräuche unserer Vorfahren immer mehr in Vergessenheit geraten und wir sie dann als „vergilbt“ und „unansehnlich“ bezeichnen, sondern dass sie lebendig bleiben und zu Herzen gehen. Ich möchte nicht, dass Menschen, die Angst vor dem Fest haben, ohne Beistand bleiben.

Der Deko-Stern, zumindest seine weihnachtliche Bedeutung, darf nicht „in der Tonne“ landen, nicht heute, nicht morgen und nicht übermorgen! Denn die Geburt Jesu ist nicht Mythos oder Märchen, sondern lässt sich historisch einordnen und ist für Christen der Beginn eines heilsgeschichtlichen Weges, den Gott mit allen Menschen dieser Welt in allen Generationen gehen will. Er schenkt unserem Unterwegssein Hoffnung und Trost, Freude und Zuversicht. Der Weg mündet ein in eine neue Wirklichkeit, die Gottes Sohn uns verheißen hat.

Die kirchlichen Einladungen möchten uns in diesen Tagen dazu ermutigen, dem Geheimnis von Weihnachten „auf der Spur“ zu bleiben und unsere Sehnsucht nach Rückbindung an Gott, nach Geborgenheit und Zukunft zur Sprache zu bringen. Gehen wir doch mit den Kindern zur Krippe in den Kirchen, um ihnen mit unseren Worten von der Liebe Gottes zu erzählen, die sich im Kind von Betlehem zeigt! Sagen wir, wie der erwachsene Jesus, den bedürftigen, den ängstlichen und traurigen Menschen in unserem Umfeld ein gutes Wort. Legen wir die Messlatte für ein „gelungenes Fest“ in der Familie nicht so hoch, dass alle am Ende froh sind, wenn es vorüber ist. Jeder Mensch sollte seinen individuellen Zugang dazu finden dürfen und der verändert sich im Leben einige Male. Weihnachtsfest-Gestaltung lebt auch vom Kompromiss! Wenn etwas nicht „nach Plan“ läuft, dürfen wir mit Gelassenheit daran denken: Gott schenkt zu Weihnachten doch das Eigentliche. Er legt es in unsere leeren Hände und offenen Herzen. Sein Geschenk ist fortwährende Gabe. Annehmen und weitergeben! Lassen wir das Fest in den liebenswerten Traditionen „leuchten“, wie wir es mögen und so gut wir es vermögen. Also: Mut zum Fest!

Pastor Frank D. Niemeier