Die Faire Gemeinde St. Pankratius Belecke hatte eingeladen zu einem Informationsabend, bei dem die Werte der christlichen Sozialethik im Mittelpunktstanden. Bürgermeister Thomas Schöne freute sich in seinem Grußwort, dass der Bürgersaal für dieses wichtige Thema gut gefüllt war. Anja Werthmann, Pfarrgemeinderats-Vorsitzende, begrüßte die zahlreichen Besucher und skizzierte, wie diese Wahlveranstaltung entstanden ist. Die Faire Gemeinde hatte sich als Jahresmotto die Aktion „Würde unantastbar“ des Bonner Künstlers Ralf Knoblauch vorgenommen. Was liegt da näher, als die Würde des Menschen im Bundestagswahlkampf in Erinnerung zu rufen? So konnte Werthmann drei Fachleute aus dem kirchlichen Bereich begrüßen, die sich mit dem Schwerpunkt Würde und Armut befassen.
Moderator Theo Sprenger zitierte zu Beginn die Auffassung, dass Religion sich aus der Politik heraushalten sollte, um sofort klarzustellen: „Wir sehen das anders.“ Er erinnerte daran, dass wir uns heute wünschen, die Kirchen hätten in der Vergangenheit mehr Widerstand geleistet gegen das menschenverachtende Nazi-Regime.
Der Theologe Dr. Christoph Recker aus Meschede zeichnete die Entstehung von Armut in der Geschichte des Volkes Israel nach. Eine Reaktion auf die Armut sind die zahlreichen Weisungen aus der Thora, die diese Armut begrenzen sollten: Zinsverbot und das Jubeljahr zum Beispiel. Dass dieses Gesetz des Mose oft von reich gewordenen Familien unterlaufen wurde, rief dann die Propheten auf den Plan. Sie kritisierten die Reichen und Mächtigen heftig und erinnerten daran, worauf es Gott ankommt: „Das Recht fließe wie Wasser,“ sagt zum Beispiel Amos. Gemeint ist das Recht eines jeden, ein Leben in Würde zu führen, in dem die Grundbedürfnisse erfüllt sind. Auch Jesus habe in dieser Tradition gelehrt und gewarnt: „Wie schwer ist es für einen Reichen, in das Reich Gottes einzugehen. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr…“ Reichtum ist dann ein Problem, wenn dabei die Verbundenheit mit den Mitmenschen vergessen wird.
Georg Karbowski vom Caritasverband im Kreis Soest berichtete aus der Praxis der Tafeln in Lippstadt, Werl, Geseke und Rüthen: jede Woche werden 413 Haushalte mit 1.251 Personen mit Lebensmitteln versorgt. Dabei sind Bezieher von Bürgergeld 68 % am häufigsten anzutreffen, in der Grundsicherung (Altersarmut) 14 % und Bezieher von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz: 8 %. Armut ist also eine Realität, auf die die Caritas mit eigenen Angeboten reagiert: Ehrenamtliche in Caritas-Konferenzen organisieren zum Beispiel zehn Kleiderkammern im Kreis Soest, ein Hilfefonds mit Sozialberatung reagiert auf akute Notfälle. Vieles davon ist mit privaten Spenden abgesichert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen wirken sich unmittelbar auf die Lage der Hilfesuchenden aus. Deswegen steht der Caritasverband im Dialog mit politisch Verantwortlichen und leistet wichtige Lobby-Arbeit bei der Gesetzgebung.
Dr. Andreas Fisch arbeitet als Referent im Sozialinstitut Kommende Dortmund, das vom Erzbistum Paderborn getragen wird. Er stellte einige populistische Aussagen in Frage, die das Bürgergeld betreffen. Nur ein verschwindend geringer Teil der 5,2 Millionen Bezieher verweigere trotz Arbeitsfähigkeit jedes Jobangebot. Der Übergang vom Bürgergeld in eine reguläre Arbeit könne in einigen Fällen zu finanziellen Verlusten führen. Hier sei eine Reform zur Abstimmung der verschiedenen Hilfen notwendig. Dr. Fisch wies hinsichtlich der sozialen Gerechtigkeit darauf hin, dass die Besteuerung von Einkommen im Vergleich zu Steuern auf Kapitalerträge recht hoch ist. Wenn jemand von seinen Zinsen leben kann, dann sei er weniger auf diese angewiesen, denn er könnte ja auch arbeiten gehen. Wer nur seinen Arbeitslohn hat, braucht diesen für den Lebensunterhalt – ohne Ausweichmöglichkeiten. Hier und an anderen Stellen zeigt sich, dass unser Steuersystem die Menschen mit großen Vermögen bevorzugt – mit der Gefahr, dass die Schere zwischen arm und reich stetig größer wird. Er appellierte an die Zuhörer, nicht so sehr darauf zu schauen, welchen Vorteil man persönlich aus den Wahlversprechen der Parteien ziehen könne. Die Überlegungen sollten möglichst das Wohl aller, also das Gemeinwohl als Maßstab nehmen.
Mit fair gehandeltem Kaffee und Belecker Schokolade bedankte sich Anja Werthmann bei den Referenten für die anregenden Impulse und wies die Zuhörerschaft noch auf die Wahlveranstaltung der Kolpingsfamilie im Forum des Gymnasiums am Folgetag hin.
weitere Infos zum Projekt „Würde unantastbar“ der Belecker Kirchengemeinde gibt es hier
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der kefb statt