Impuls zum Sonntag

Es kann trotz alledem gut sein vielleicht sogar besser.

Zunächst möchte ich Ihnen eine alte asiatische Geschichte erzählen: Es war einmal eine alte chinesische Frau, die zwei große Schüsseln hatte. Diese hingen an den Enden einer Stange, die sie über ihren Schultern trug. Eine der Schüsseln hatte einen Sprung, während die andere makellos war.
Am Ende der langen Wanderung vom Fluss zum Haus der alten Frau, enthielt die eine Schüssel stets die volle Portion Wasser, die andere war jedoch immer nur noch halb voll.

Zwei Jahre lang geschah das täglich. Die alte Frau bracht nur anderthalb Schüsseln Wasser mit nach Hause. Die makellose Schüssel war natürlich sehr stolz auf ihre Leistung. Die arme Schüssel mit dem Sprung schämte sich aber wegen ihres Makels und war betrübt, dass sie nur die Hälfte dessen verrichten konnte wofür sie gemacht worden war. Nach zwei Jahren, die ihr wie ein endloses Versagen vorkamen, sprach die Schüssel zu der Frau: „Ich schäme mich so wegen meines Sprunges, aus dem den ganzen Weg zu deinem Haus immer Wasser läuft.“
Die alte Frau lächelte: „Ist dir aufgefallen, dass auf deiner Seite des Weges Blumen blühen, aber auf der Seite der anderen Schüssel nicht? Ich habe auf deiner Seite des Pfades Blumensamen gesät, weil ich mir deiner Besonderheit bewusst war. Nun gießt du sie jeden Tag, wenn wir nach Hause laufen. Zwei Jahre lang konnte ich diese wunderschönen Blumen pflücken und den Tisch damit schmücken. Wenn du nicht genauso wärst, wie du bist, würde diese Schönheit nicht existieren und unser Haus beehren.“

Wenn man die Menschen in diesen Tagen so hört, dann scheinen wir alle einen „Sprung in der Schüssel“ zu haben. Überall hören wir, dass Vieles nicht in Ordnung ist! „Früher war alles besser!“ Unsere Schüssel ist nicht mehr ganz! Es geht um Wohlstandsverlust, Arbeitsplätze, Inflation, mangelnde Rücksichtnahme, Sicherheitsverlust, und und und … So Vieles scheint in diesen Tagen verloren gegangen zu sein! Und das betrübt uns, beschämt uns, macht uns vielleicht auch ärgerlich oder sogar wütend.

Die kleine asiatische Geschichte macht mir in diesen Tagen Mut. Sie lässt die Möglichkeit offen, dass aus all den Defiziten, aus all den Zweifeln, aus all dem Verlorengegangen, doch noch wieder etwas wachsen kann. Diese Geschichte gibt mir die Zuversicht: Es geht nicht alles „den Bach runter“ – nein, es kann auch Neues, Unverhofftes, Wertvolles, wachsen! Natürlich wird es anders sein, als dass was vorher war! Aber es kann trotz alledem gut sein – vielleicht sogar besser.

Die Katholische Kirche feiert 2025 als ein Heiliges Jahr. Papst Franziskus überschreibt dieses Jahr mit der Einladung „Pilger der Hoffnung“ zu sein! Ich möchte der Hoffnung und der Zuversicht eine Chance geben – egal „ob ich einen Sprung in der Schüssel habe“ – oder vielleicht sogar, weil ich einen Sprung in der Schüssel habe.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.

Diakon Ludger Althaus